Europäischer Gerichtshof bestätigt: anlasslose Vorratsdatenspeicherung mit dem Europarecht unvereinbar

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute sein Urteil zur deutschen Vorratsdatenspeicherung gefällt und dabei seine ständige Rechtsprechung bestätigt: Die anlasslose und allgemeine Speicherung von Daten, die während des Telefonierens und der Nutzung des Internets anfallen, zur präventiven Bekämpfung von Kriminalität ist mit dem Europarecht unvereinbar. Dazu erklärt Carl-Bernhard von Heusinger, innenpolitischer Sprecher der GRÜNEN Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz:

„Als GRÜNE Fraktion haben wir uns stets dagegen gestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung in ihrer jetzigen Ausgestaltung Eingang ins rheinland-pfälzische Recht findet. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bestätigt uns in unserer Auffassung, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung rechtlich nicht haltbar ist.

Die massenhafte Speicherung von Verkehrsdaten ohne Anlass stellt aus unserer Sicht darüber hinaus kein wirksames Mittel dar, um Kriminalität zu bekämpfen. Kriminalität im Internet betrifft vor allem die Verbreitung von Darstellungen von sexuellem Missbrauch an Kindern. Zur Bekämpfung dieser Verbrechen brauchen wir aber zielgenaue Eingriffsbefugnisse. Der EuGH spricht in seiner heutigen Entscheidung ebenfalls von einer gezielten Vorratsdatenspeicherung, die unter eng umrissenen Rahmenbedingungen für bestimmte Zwecke wie zur Bekämpfung schwerer Kriminalität erlaubt ist.

Wir unterstützen deshalb das im Koalitionsvertrag des Bundes verankerte Vorhaben, die Vorratsdatenspeicherung grundrechts- und europarechtskonform auszugestalten: nämlich ausschließlich anlassbezogen und mit richterlichem Beschluss. Eine solche Ausgestaltung ist mit dem EU-Recht vereinbar, wie die Entscheidungshistorie des EuGH zeigt. Aus unserer Sicht stellt auch das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren im Gegensatz zur anlasslosen Datenspeicherung ein rechtskonformes Mittel dar, weil Internetprovider erst bei einem Anfangsverdacht Daten zu einer tatverdächtigen Person speichern müssen.

Gleichzeitig ist für uns GRÜNE klar, dass mehr Eingriffsbefugnisse nicht automatisch zu mehr Sicherheit führen. Der Fokus muss auf der Prävention liegen, auch im digitalen Raum. Der Aufschlag der Europäischen Kommission für ein Gesetz über Cyberresilienz geht dabei in die richtige Richtung, weil Sicherheitsanforderungen für Hard- und Softwareprodukte eingeführt werden, damit es erst gar nicht zu Cyberangriffen kommt.“

Hintergrund:

Die Vorratsdatenspeicherung umfasst die anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten durch private Telekommunikationsanbieter zum Zweck der Nutzung durch staatliche Stellen, wie etwa der Polizei, zur Nutzung zur Strafverfolgung, Gefahrenabwehr oder Terrorismusbekämpfung. Die Speicherung betrifft nicht den Inhalt von Kommunikation, sondern Telefon- und Internet-Verkehrsdaten: Von welcher Telefonnummer ruft wer wen für wie lange an? Wer sendet wem wann eine SMS oder Ähnliches? Wer surfte wann mit welcher IP-Adresse im Internet? Der Verband der Internetwirtschaft e.V. schätzt, dass es sich in Deutschland um etwa 246 Millionen Datensätze täglich handelt.

Bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ging es um das im Jahr 2015 verabschiedete „Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ (BGBl. I 205 S. 2218), welches Telekommunikationsunternehmen zur Speicherung von im Internet und bei Telefonie anfallenden Verkehrsdaten gemäß § 176 Telekommunikationsgesetz (TKG) neue Fassung verpflichtet. Weil das OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 22. Juni 2017 bei der Vorratsdatenspeicherung einen Verstoß gegen das EU Recht sah (Az. 13 B 238/17), wurde die Pflicht zur Speicherung seit Mitte 2017 nicht vollzogen.

Pressemitteilung der GRÜNEN Landtagsfraktion vom 20.09.2022